Netzwerktag NanoSilber 2017

Würzburg, 29.06.2017

Die hygienische Situation in Krankenhäusern, medizinischen Einrichtungen und dem Lebensmittelsektor ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus des öffentlichen Interesses getreten. Erhöhte Keimbelastungen und mangelhafte Hygiene führen laut Statistischem Bundesamt alleine in Deutschland zu geschätzt etwa 560.000 Krankenhausinfektionen jährlich. Davon enden ca. 16.000 tödlich. Dringender Handlungsbedarf besteht auch in Anbetracht der zunehmenden Anzahl multiresistenter Keime. Antimikrobiell ausgestattete Oberflächen stellen hierzu eine nachhaltige Möglichkeit dar, die Hygienesituation im klinischen Umfeld zu unterstützen und damit die durch multiresistente Keime zusätzlich bestehende Gefahr zu minimieren.

Um über die Chancen und Herausforderungen dieser Technologie zu diskutieren und Möglichkeiten zur Reduzierung unerwünschter Keime in der Lebensmittel- und Medizintechnik zu präsentieren, kamen am 29. Juni Vertreter aus Industrie und angewandter Forschung und Entwicklung zum Netzwerktag NanoSilber 2017 in Würzburg zusammen. Der Netzwerktag ist eine einzigartige Plattform zum fachlichen Austausch über aktuelle Forschungsergebnisse und innovative Produkte zum Thema Nanosilber. Die antimikrobielle Wirkung des Silbers beruht auf seiner Aktivität gegenüber einem breiten Spektrum von -auch multiresistenten- Bakterien, Hefen, Pilzen und Viren. Mit abnehmender Partikelgröße erhöht sich die antimikrobielle Effizienz von Silber, da die Freisetzungsrate der aktiven Silberionen (Ag+) maßgeblich durch die spezifische Oberfläche beeinflusst wird. Wie Herr Schmid (Fraunhofer Institut ICT) in seinem Orientierungsvortrag zu Beginn bemerkt, ist der entscheidende Schritt bei der Entwicklung nanosilberhaltiger Produkte die geeignete Stabilisierung der Silbernanopartikel. Das gestiegene Wissen um dieses Verfahren wird unterstützt durch ein besseres Verständnis über den antimikrobiellen Wirkmechanismus insbesondere des Nano Silbers. Non-Release Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass Nanosilberpartikel fest in die umgebene Matrix eingebunden sind. Die Freisetzung der Partikel wird verhindert, wodurch diese bis zu 30 Jahre stabil und aktiv bleiben können.

Herr Gregor Schneider (RAS AG) beschrieb in seinem Vortrag das Risiko reiseassoziierter Infektionen und ging auf den Wirkmechanismus von Nanosilber gegen multiresistente Keime ein. Einen wesentlichen Vorteil von Nanosilber sieht er zudem in der Reduzierung von Transportkosten und der Schonung von Ressourcen, da bei vergleichbarer Effizienz deutlich geringere Mengen Nanosilber als Bulksilber benötigt werden. Dr. Markus an der Heiden (GBneuhaus) berichtete anschließend über die Verarbeitung von agpure®-Nanosilberpartikeln in Sol-Gel-Schichten. Die innovative Methode erlaubt es, verschiedene Funktionalitäten in einer Beschichtung zu kombinieren, bspw. antimikrobiell und „easy-to-clean“. Dr. Anja Gerhardts von den Hohenstein Instituten für Textilinnovationen ging in Ihrem Vortrag auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ein und beschrieb Übertragungswege und Infektionsketten in Krankenhäusern. Ergebnis der Studien: Die Übertragung von Keimen kann durch antimikrobiell ausgestattete Oberflächen minimiert werden. Zu den untersuchten Oberflächen zählen u.a. Textilien und Türklinken, aber auch beschichtete Papiere und Dokumente.

In weiteren Vorträgen wurden nanosilberhaltige Dispersionsfarben für Innen- und Außenfassaden (Helmut Schmid, Fraunhofer Institut für Chemische Technologie ICT) und hygienische Leichtbauwerkstoffe für die Lebensmittel- und Medizinbranche (Sascha Oswald, LAMILUX Composites) präsentiert. Dass im medizinischen Bereich auch „innere Oberflächen“ betrachtet werden müssen zeigt der Vortrag von Thomas Paulin (aap Implantate). Ein Nanosilber Coating auf Traumaimplantaten verringert bspw. das Infektionsrisiko deutlich, ohne das Wachstum körpereigener Zellen zu benachteiligen. Weitere Themen waren Synergieeffekte, z.B. in Form einer Silber-Dotierung in photokatalytisch aktiven Titandioxid-Beschichtungen (Lutz Gradewald, PHOTOKAT Oberflächentechnologie) oder die Methode zur Nanosilber-Beschichtung mittels Atmospheric Pressure Plasma Jet (Sven Gerullis, INNOVENT e.V.), welche u.a. die Kombination mit weiteren antimikrobiell aktiven Substanzen wie Zink und Kupfer ermöglicht.

Aus toxikologischer Sicht besteht kein Risiko durch Nanosilber

Im Zusammenhang mit Nanotechnologie-basierten Produkten ist es immer wichtig, auch über potenzielle Risiken zu sprechen. Dr. Florian Paul (Dechema e.V.) stellte den Teilnehmern den aktuellen Wissensstand im Zusammenhang toxikologischer Aspekte von Nanosilber dar und berichtete über Forschungsprojekte und Ergebnisse zum Thema Sicherheit im Umgang mit Nanomaterialien in der EU. Die Anzahl toxikologischer Studien zur Thematik sei in den letzten Jahren stark gestiegen und aus toxikologischer Sicht zeige sich generell keine Gefahr durch Nanosilber. Auf eine Gefährdung der Umwelt gäbe es bislang ebenfalls keine Hinweise, auch wenn Fische eine erhöhte Empfindlichkeit aufweisen. Er bemängelt allerdings,, dass in vielen Studien unrealistisch hohe Konzentrationen untersucht werden, so dass diese zunächst auf einen realistischen Anwendungsbezug evaluiert werden müssen. Toxikologische Studien bleiben jedoch essentiell bei der Entwicklung von Nanomaterialien.

Bei der Zulassung von NanoSilber Produkten besteht verbreitet Unklarheit

Ein weiterer wichtiger Punkt, der bei der Entwicklung nanosilberbasierter Produkte zu berücksichtigen ist, sind Regulierungen von Nanomaterialien bzw. spezifische Zulassungsverfahren in der EU. Gregor Schneider (RAS AG) berichtete über seine persönlichen Erfahrungen bei der Registrierung und Zulassung von agpure®- Nanosilber und kritisiert die langsame Entwicklung bei der Definition von Expositionsgrenzen. Unklare Formulierungen erschweren die Planungssicherheit, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Klar definierte Regularien und Verordnungen sind daher essentiell um Verbraucher und Umwelt zu schützen und gleichzeitig wirtschaftliche Entwicklungen zu fördern.

Die konstruktiven Diskussionen zu den Vorträgen zeigen das große Interesse am Thema Nanosilber, aber auch die Notwendigkeit einer neutralen Informationsplattform zur sachlichen Diskussion im Umgang mit Nanosilber. Zu den Diskussionsthemen zählten u.a. die Wahl geeigneter Charakterisierungsmethoden zur Untersuchung des Leaching-Verhaltens (das Herauslösen von Partikeln, Clustern oder Ionen), dem Nutzen von Synergieeffekten und die Möglichkeiten von Nanosilber in Leichtbauanwendungen. Klarheit besteht darüber, dass Nanosilberpartikel fest in eine Matrix eingebunden werden müssen, um deren Freisetzung zu verhindern. Die antimikrobiell aktiven Silberionen können dann kontrolliert aus dem Nanosilber-Reservoir abgegeben werden. Wenn antimikrobiell ausgestattete Oberflächen über mehrere Jahrzehnte eingesetzt werden, so ist es wichtig realistische Alterungstests und Aussagen zur Langzeitstabilität in die Entwicklung zu integrieren.

Das Netzwerk NanoSilber wurde 2009 im Rahmen eines ersten Clustermeetings initiiert, später vom BMWi für 3 Jahre im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand gefördert und wird seit 2015 eigenständig weitergeführt. Der Netzwerktag wurde zum dritten Mal in Folge vom Netzwerk NanoSilber organisiert und stellt eine einzigartige Anlaufstelle rund um das Thema Nanosilber dar. Neben antimikrobiellen Oberflächen werden im Netzwerk auch andere Themen behandelt, wie bspw. gedruckte Elektronik oder transparente leitfähige Beschichtungen. Bei Interesse an einer Mitgliedschaft im Netzwerk kann das Netzwerkmanagement direkt kontaktiert werden. Die Resonanz der Teilnehmer war mehr als positiv, so dass eine Folgeveranstaltung 2018 bereits fest geplant ist. Die Vorträge stehen ab Juli gegen eine geringe Gebühr zum Download zur Verfügung.

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