Umweltschutz und Sicherheit im industriellen Umgang mit Nanomaterialien

Ein wichtiger Aspekt der verantwortungsvollen Anwendung und Weiterentwicklung von Nanotechnologien ist die Umsetzung adäquater Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen. In Anbetracht des teils komplexen Themas spielt das Wissen um die passenden Ansprechpartner und Anlaufstellen dabei eine zentrale Rolle. In einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Bayerischen Umweltministerium wirkt das Cluster Nanotechnologie Informationsdefiziten mit einem neuen Veranstaltungsangebot entgegen.

Dass die Nanotechnologie ein enormes Potenzial für viele Industriezweige birgt, ist keine Neuigkeit. Durch ihre zunehmende Verbreitung kommen aber immer mehr produzierende Unternehmen mit dieser Hochtechnologie in Berührung, die bisher nur wenig mit „nano“ zu tun hatten und somit in puncto Arbeits- und Umweltschutz Neuland beschreiten müssen. Erfordern Nanopartikel im Betrieb besondere Sicherheitsvorkehrungen? Wie sieht die Rechtslage für Nanoprodukte eigentlich aus? Und wie ist das Gefährdungspotenzial von Nanoobjekten überhaupt zu beurteilen?

Die Beantwortung dieser Fragen ist teilweise einfach, aber stark vom Einzelfall abhängig und erfordert mitunter eine tiefe Kenntnis der Materie. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit geringer Personaldecke kann sie deshalb zunächst wie eine alleine kaum zu bewältigende Aufgabe wirken. Es gibt zwar eine Flut an Projekten, Publikationen und Informationsquellen, die sich mit der Sicherheit von Nanomaterialien befassen. Diese zu überblicken und die Stichhaltigkeit der Informationen zu prüfen, ist aber schwer. Umso wichtiger ist es darum, Kontakte zu Spezialisten zu haben, die sich intensiv mit solchen Fragen beschäftigen und bei der Informationsbeschaffung und -bewertung unterstützen können.

Hier setzt das Projekt der Nanoinitiative Bayern an, die als Managementeinrichtung des Clusters Nanotechnologie eine Schlüsselrolle an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik einnimmt. Ziel ist es, ein bedarfsorientiertes Veranstaltungsangebot für Unternehmen zu entwickeln, das konkrete Unterstützung in folgenden Punkten bietet:

  • Direkter, persönlicher Kontakt zu kompetenten Ansprechpartnern
  • Realitätsnahe Handlungshilfen zu sicherem und umweltgerechtem Arbeiten mit Nanomaterialien
  • Aufbereitung aktueller Forschungsergebnisse, Stand der Regularien und entsprechender Anlauf- und Beratungsstellen für industrielle Anwender

Das Vorhaben wurde von November 2014 bis Oktober 2015 durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) gefördert. Ein Schwerpunkt lag zunächst auf der Konzeption einer zweitägigen Informationsveranstaltung. Für den Erfolg wurden sowohl Behörden als auch Unternehmen gleichermaßen bei der Konzeption berücksichtigt und eingebunden. Es bestand deshalb bereits im Vorfeld intensiver Kontakt mit dem Ministerium sowie dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und dem Landesamt für Umwelt (LfU). Die Auswahl der Themenschwerpunkte orientierte sich ganz an dem tatsächlichen Informationsbedarf von Unternehmen, der mit Hilfe zweier Fragebögen und in Einzelgesprächen ermittelt wurde. Zudem bestand die Möglichkeit, mit der Anmeldung zur Veranstaltung konkrete Fragen zu stellen, die an die Referenten weitergeleitet wurden. Für den Erfolg war deshalb auch besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Referenten entscheidend. Es konnten hochkarätige Sprecher gewonnen werden, so beispielsweise Prof. Dr. Harald F. Krug, einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Nanotoxikologie. Darüber hinaus wurden im Vorfeld die wichtigsten Behörden, Institutionen, Ansprechpartner und Informationsplattformen in Form einer begleitenden Übersichtsbroschüre aufbereitet.

Die Informationsveranstaltung fand vom 23.-24.9.2015 in den Räumlichkeiten des LGL in München statt. Der erste Tag war dabei als Übersicht über ein umfassendes Themenspektrum angelegt. Nach der Begrüßung durch Dr.-Ing. Peter Grambow (Nanoinitiative Bayern GmbH) und Dr. Boris Schneider (StMUV) eröffnete Prof. Dr. Harald F. Krug (EMPA / NanoCASE GmbH) mit Einblicken in die Nanosicherheitsforschung und der Frage, wie deren Informationen nachhaltig für Nanoprodukte genutzt werden können. Er erläuterte, dass die These "Man weiß noch nicht genug über die Risiken der Nanotechnologie" falsch sei. Das Wissen sei aber fragmentiert und uneinheitlich und deshalb in seiner aktuellen Form schwer nutzbar: Aus der enormen Zahl von Publikationen zur Nanotoxikologie ließen aufgrund wissenschaftlicher Schwachpunkte nur wenige Arbeiten klare Aussagen zu. Diese seien in vielen Fällen aber bereits genug für eine fundierte Bewertung möglicher Gefahren. Dabei wies er auf das Dilemma hin, dass sich die Abwesenheit eines toxikologischen Effekts eben nicht nachweisen ließe und rief in diesem Zusammenhang zu Realismus und einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Toxikologen und Regulierern auf.

Dr. Wolfgang Schober (LGL) widmete sich zu Beginn der zweiten Session dem Thema Arbeitsschutz. Ein entscheidender Punkt sei das Wissen um ein prinzipielles Gefährdungspotenzial eines Materials, da sich dann durch adäquate Schutzmaßnahmen eine tatsächliche Gefährlichkeit vermeiden lässt. Im Detail zeigte er mögliche Verteilungswege von Nanopartikeln im Körper auf, die aus Sicht des Arbeitsschutzes eine Betrachtung analog zu Feinstaub nahelegen. Der Fokus des Vortrags von Dr. Martin Wegenke (LfU) lag auf dem Vorkommen und Verhalten von Nanopartikeln in der Umwelt. Er erläuterte Eintragspfade und stellte Studien des LfU zu Verhalten und Verbleib von Nanopartikeln in Kläranlagen, zur Mobilität von Nanopartikeln in Böden und zum Eintrag in Badegewässer (z.B. durch Sonnencremes) vor. Hier knüpfte Dr. Florian Meier (Postnova Analytics GmbH) als Leiter des Projekts NanoUmwelt an und gab einen umfassenden Überblick über verschiedenste analytische Methoden, die zur Untersuchung von Nanomaterialien herangezogen werden können. Besonders im Bereich der Umweltanalytik stellen die geringen Konzentrationen eine große Herausforderung dar. Alle analytischen Verfahren hätten zudem gemein, dass die größte Fehlerquelle in der Probenahme liegt. Einen interessanten Einblick in die betriebliche Praxis im Umgang mit Nanomaterialien bot der Vortrag von Dr. Walter Schütz (FutureCarbon GmbH). Er demonstrierte nicht nur das enorme Potenzial von CNTs am Beispiel konkreter, innovativer Produkte, sondern auch, wie innerhalb des Unternehmens verantwortungsvoll und sicher damit umgegangen wird. Besonders lobende Worte fand er hier auch für die Zusammenarbeit mit den Behörden.

In der dritten Session stellte Dr. Christoph Steinbach (DECHEMA e.V.) das Projekt DaNa 2.0 vor (nanopartikel.info), das in einem interdisziplinären Ansatz Forschungsergebnisse zu Nanomaterialien und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt verständlich aufbereitet. Die Bewertung aktueller Forschungsergebnisse erfolgt auf Grundlage sorgfältiger wissenschaftlicher Vorgehensweise anhand eines strengen Kriterienkatalogs. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist zudem die Wissensbasis, die eine direkte Korrelation zwischen Material, Anwendung und dafür relevanten Informationen erlaubt. Eine weitere Informationsplattform, das Nano-Portal der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV, nano.dguv.de) stellte Dr. Lothar Neumeister (BG ETEM) vor. Unter anderem bieten die Berufsgenossenschaften dort in Form sogenannter "Nanoramen" einen einfachen und interaktiven Zugang zum sicheren Arbeiten mit Nanomaterialien in Betrieben (aktuell für Bau, KFZ-Werkstatt, Textil und Labor). Zudem wies er auf die Bekanntmachung für Gefahrstoffe "Hergestellte Nanomaterialien (BekGS 527) hin, die Empfehlungen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten mit Nanomaterialien gibt. Zum Abschluss des ersten Tages stellte Dipl.-Ing. Wolfgang Krätschmer (TUM, Wissenschaftszentrum Straubing) den Projektverbund UMWELTnanoTECH vor, der sich mit umweltverträglichen Anwendungen der Nanotechnologie beschäftigt. Nach dem Motto "begign by design" werden dabei in Forschungsprojekten Anwendungen entwickelt, bei denen Nanomaterialien einen direkten Beitrag zum Umweltschutz leisten, z.B. indem sie giftige Chemikalien ersetzen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den drei Themenfeldern organische Photovoltaik, Energiespeicher und Thermoelektrizität.

Der zweite Veranstaltungstag begann mit Intensivworkshops zu Schwerpunktthemen, in denen ausgewählte Fragestellungen nochmals im Detail diskutiert werden konnten. So wurde z.B. die Charakterisierung von luftgetragenen Partikeln unterschiedlichster Größe von Frederik Weis (Palas GmbH) erläutert - und direkt an den entsprechenden Geräten demonstriert. Im zweiten Workshop ging Thorsten Weidl (TÜV SÜD Industrie Service GmbH) dem Risikomanagement in der Nanotechnologie auf den Grund. Er erläuterte Pflichten von Herstellern, verarbeitender Industrie und Verbrauchern und zeigte Vorschläge zur Gefährdungsbeurteilung und -vermeidung, z.B. den Leitfaden "Empfehlung für die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz" von VCI und BAuA. Der dritte Workshop von Dr. Christoph Steinbach widmete sich nochmals einer breiten Übersicht über die verschiedensten Informationsquellen und deren thematischen Schwerpunkten. In der folgenden Diskussionsrunde konnten die Teilnehmer ihre eigenen Wünsche und Ideen für Informationsplattformen formulieren und so aktiv an der weiteren Gestaltung von DaNa mitwirken.

Zusätzlich zu den Workshops bestand an beiden Tagen die Möglichkeit an Führungen durch das nanolab des LGL teilzunehmen, wo Dr. Richard Winterhalter (LGL) die dort vorhandene Analytik (u.a. Rasterelektronenmikroskopie, Messung von luftgetragenen Partikeln und Feldflussfraktionierung) an praktischen Beispielen demonstrierte. Zum Abschluss der Veranstaltung beleuchtete der Vortrag von Dr. Daniel Kluge (Nanoinitiative Bayern GmbH) Kommunikationsaspekte komplexer Technologien. Neben der Wahrnehmung von Nanotechnologie in der Öffentlichkeit lag der Schwerpunkt dabei auf den entsprechend ausgerichteten Aktivitäten des Clusters Nanotechnologie sowie dem Projekt HighTechComm (siehe hierzu auch den entsprechenden Beitrag in dieser Ausgabe).

Das durchweg positive Feedback von Teilnehmern und Referenten zeugte davon, dass das Konzept der Veranstaltung aufgegangen war. In der Zukunft wird es deshalb auf eine Veranstaltungsreihe mit jeweils vertieftem thematischem Fokus ausgedehnt. Von Schulungen zu Schwerpunktthemen bis hin zu Begehungen von Produktionsanlagen sind hier verschiedenste Formate angedacht, die bei konkreten Anliegen in enger Rücksprache mit Unternehmen ausgearbeitet werden können. Kommen Sie gerne mit Ihren Anfragen und Vorschlägen auf uns zu!

Die Maßnahme wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbaucherschutz gefördert.

Projekt SUSi

Shortfacts:

Entwicklung eines Leitfades für Umweltschutz und Sicherheit im industriellen Umgang mit Nanomaterialien.


Projektmanagement:
Nanoinitiative Bayern GmbH